Wichtige Änderungen durch das Abgabenänderungsgesetz 2022

Am 15. Juni 2022 wurde die Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2022 beschlossen. Die Beschlussfassung im Parlament ist für Anfang Juli 2022 vorgesehen, dabei kann es noch zu gewissen Änderungen kommen.

Die Regierungsvorlage beinhaltet zahlreiche durchaus positive Punkte und Initiativen, die nicht nur das Steuerrecht, sondern auch das EAG sowie die CO2-Steuer betreffen.

Folgende wichtige Änderungen sind im Steuerrecht geplant:

EINKOMMENSTEUER

Verbesserungen bei der Forschungsprämie

Bei der Forschungsprämie kann ab 2022 für mittätige Einzelunternehmer und Mitunternehmer sowie unentgeltlich tätige Gesellschafter-Geschäftsführer ein fiktiver Unternehmerlohn in Höhe von EUR 45 pro nachweislich geleisteter „Forschungsstunde“, höchstens jedoch EUR 77.400 pro Person und vollem Wirtschaftsjahr in der Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden; dadurch werden insbesondere Start-Ups und kleine Unternehmen zusätzlich begünstigt.

Zudem wird der Ablauf der Antragsfrist klarer geregelt (Entkoppelung von der Steuererklärung) und im Interesse einer rascheren Abwicklung die Möglichkeit geschaffen, über einen Prämienantrag hinsichtlich eines sachverhaltsmäßig abgegrenzten Teiles auch durch einen gesonderten Bescheid absprechen zu können.

Die neuen Regelungen werden auf Prämien anwendbar sein, die das Kalenderjahr 2022 betreffen und die nach dem 30. Juni 2022 erstmalig beantragt werden.

Netzkarten als 50%ige Betriebsausgabe

Bei nicht übertragbaren Wochen-, Monats- und Jahresnetzkarten für den öffentlichen Verkehr, die sowohl für betrieblich als auch privat veranlasste Fahrten genutzt werden, können ab 2022 pauschal 50 % der Ausgaben für eine nicht übertragbare Netzkarte für Einzelpersonen ohne weiteren Nachweis als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Auch Aufzahlungen für die Gültigkeit der Netzkarten in der 1. Klasse sollen pauschal zu 50 % abzugsfähig sein. Dies dient dazu, die Nutzung des öffentlichen Verkehrs weiter anzukurbeln und damit einhergehend den Unternehmern die Führung von Aufzeichnungen über die tatsächliche betriebliche Nutzung zu ersparen. Aufpreise etwa für Familienkarten oder die Übertragbarkeit der Karten werden nicht von der Pauschalregelung erfasst sein.

Die vorstehende Regelung ist äußert begrüßenswert, weil es dadurch Dienstgebern ermöglicht wird, gemeinsam mit ihren Dienstnehmern ökologische Akzente zu setzen.

Steuerbefreiung für die Einspeisung aus privaten Photovoltaikanlagen

Zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für Privatpersonen wird im Einkommensteuerrecht eine eigene Steuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen geschaffen. Bereits ab der Veranlagung 2022 sind Einkünfte aus der Einspeisung von höchstens 12.500 kWh Strom aus Photovoltaikanlagen steuerfrei. Bei Überschreiten der 12.500 kWh soll eine anteilige Befreiung zur Anwendung kommen (Freibetrag).

Der Freibetrag bezieht sich auf den einzelnen Steuerpflichtigen. Wird eine Anlage von mehreren Personen betrieben, steht der Freibetrag somit mehrmals zu. Ist andererseits ein Steuerpflichtiger an mehreren Anlagen beteiligt, steht ihm der Freibetrag nur einmal zu.

Die Befreiung ist eingeschränkt auf Anlagen mit einer Engpassleistung von 25 kWp. Damit soll typisierend sichergestellt werden, dass es sich lediglich um private Anlagen handelt, die primär zur Eigenversorgung und nicht für gewerbliche Zwecke errichtet worden sind.

Um 15% erhöhtes Jahressechstel bei Kurzarbeit

Auch im Kalenderjahr 2022 wird für Zeiten der Kurzarbeit – unabhängig davon, wie lange der Arbeitnehmer in Kurzarbeit war – bei der Berechnung des Jahressechstels (relevant für die begünstigte Besteuerung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld) ein pauschaler Zuschlag von 15 % berücksichtigt.

Antragslose Arbeitnehmerveranlagung

Bei der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung werden die pauschalen Sonderausgaben, eine betragliche Untergrenze von EUR 5,00 sowie eine Regelung betreffend nachträglich übermittelte Daten ergänzt.

Entfall der Möglichkeit der freiwilligen Festsetzung der Steuerschuld

Zur Vermeidung von Gestaltungen im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von im Ausland eingetretenen Wertminderungen wird die aktuell im Gesetz vorgesehene Möglichkeit der freiwilligen Festsetzung einer nicht festgesetzten Steuerschuld gestrichen.

KÖRPERSCHAFTSTEUER

KESt-Rückerstattung für Portfoliodividenden

Im Lichte der Rechtsprechung des VwGH (11.9.2020, Ra 2020/13/0006) wird die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer für Portfoliodividenden auch für beschränkt steuerpflichtige, in Drittstaaten ansässige Körperschaften auf Antrag gesetzlich möglich sein, wenn mit dem Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amtshilfe besteht.

UMGRÜNDUNGEN

Keine Entnahmebesteuerung bei Depotübertragungen iZm Umgründungen

Aktuell führen Depotentnahmen oder -übertragungen im Rahmen von Umgründungen trotz Anwendbarkeit des UmgrStG zu einer Entnahmebesteuerung und einem KESt-Abzug.

Mit dem AbgÄG 2022 wird nun ein eigener Ausnahmetatbestand geschaffen, wonach eine Übertragung im Zuge einer unter das UmgrStG fallenden Umgründung keine Entnahmebesteuerung bewirkt. Damit die depotführende Stelle den KESt-Abzug unterlassen und eine entsprechende Mitteilung an das Finanzamt durchführen kann, hat das Vorliegen einer Umgründung im Sinne des UmgrStG mittels geeigneter Unterlagen (z.B. notariell beglaubigter Beschluss, Vertrag, Notariatsakt) glaubhaft gemacht zu werden.

Neuer Festsetzungstatbestand bei grenzüberschreitender Einbringung von Kapitalanteilen

Nach derzeitiger Rechtslage können steuerhängige Kapitalanteile durch natürliche Personen und beschränkt Steuerpflichtige nach Artikel III UmgrStG in EU/EWR-Körperschaften eingebracht werden, ohne dass es dadurch zu einer sofortigen Besteuerung der stillen Reserven kommt. Eine Festsetzung erfolgt in diesen Fällen erst bei z.B. tatsächlicher Veräußerung der für die Einbringung gewährten Gegenleistungsanteile. Das weitere Schicksal der eingebrachten Kapitalanteile war bisher steuerlich unbeachtlich.

Um unerwünschte Gestaltungen durch die Kombination von Einbringungs- und Wegzugsmaßnahmen zu vermeiden, wird im UmgrStG ein neuer Festsetzungstatbestand ergänzt. Zur Festsetzung der Steuerschuld soll es künftig auch dann kommen, wenn die eingebrachten Kapitalanteile durch die übernehmende Körperschaft veräußert werden und (!) in einem zeitlichen Zusammenhang dazu ein steuerlicher Wegzug (Entstrickung) der Gegenleistungsanteile erfolgt.

UMSATZSTEUER

Steuerbefreiung für die Eisenbahn im Inland

Aus ökologischen Gründen und als Schritt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit internationaler Bahnverbindungen werden grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit Eisenbahnen für den österreichischen Streckenteil von der Umsatzsteuer befreit werden. Da es sich hierbei – vergleichbar dem Flug- und Schiffsverkehr – um eine echte Umsatzsteuerbefreiung handelt, ergibt sich keine Notwendigkeit für eine Vorsteuerberichtigung. Auch diese Maßnahme ist im Hinblick auf die Förderung des öffentlichen Verkehrs sehr zu begrüßen, wenn diese Befreiung in vollem Umfang an die Fahrgäste weitergegeben wird. Die Befreiung gilt ab 1.1.2023.

Auch für Vermieter, welche bspw Immobilien an die ÖBB als Mieter überlassen, ergeben sich aufgrund der Gestaltung als echte Befreiung keine negativen Auswirkungen, da es sich bei der ÖBB trotz der Befreiung weiterhin nicht um einen umsatzsteuerschädlichen Mieter handelt.

Steuerbefreiung im Zusammenhang mit der GSVP

Aufgrund der EU-Richtlinie 2019/2235 wird eine Umsatzsteuerbefreiung für Einfuhren, Lieferungen (ausgenommen die Lieferung von Fahrzeugen) von Gegenständen oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingeführt. Diese Befreiung gilt nur im Zusammenhang mit Aktivitäten von Streitkräften (Verteidigungsanstrengungen) eines Mitgliedsstaates, welche außerhalb des Territoriums dieses Mitgliedsstaates gesetzt werden. Einfuhren, Lieferungen und Dienstleistungen für Streitkräfte, welche für inländische Aktivitäten des Mitgliedstaates gesetzt werden, sind somit nicht von dieser Befreiung umfasst.

Diese Befreiung ist ebenfalls als echte Steuerbefreiung konzipiert und wirkt sich daher nicht negativ auf den Vorsteuerabzug aus und soll mit 1.7.2022 in Kraft treten.

Titanium wird wieder abgeschafft

Die EuGH-Entscheidung „Titanium“ mit ihren Auswirkungen auf die abrechnenden Hausverwaltungen, Eigentümer und Mieter war häufiges Thema in der Literatur. Wie in diesen Beiträgen ausgeführt, hat die ab 1.1.2022 geltende Regelung viele Fragen offengelassen und vor allem auch das Handling von Vorsteuerguthaben maßgeblich erschwert.

Erfreulicherweise hat nun das BMF reagiert und die notwendige, vom Fachsenat für Steuerrecht der KSW vorgeschlagene Änderung in § 19 Abs 1 UStG 1994 vorgesehen: Es kommt bei der Vermietung eines im Inland gelegenen Grundstücks zu Geschäftszwecken durch einen Unternehmer, der sein Unternehmen nicht im Inland betreibt, nicht mehr zum Übergang der Steuerschuld (Reverse Charge) und somit nicht zum Vorsteuererstattungsverfahren, sondern zum Veranlagungsverfahren für den vermietenden Unternehmer.

Da ein explizites Inkrafttreten diesbezüglich im AÄG 2022 nicht vorgesehen ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Regelung somit bereits für das Jahr 2022 anzuwenden ist (Inkrafttreten mit Verlautbarung im Bundesgesetzblatt). Da viele Hausverwaltungen beginnend mit der Vorschreibung Jänner 2022 die Vorschreibungen für ausländische Vermieter auf Reverse Charge rechtskonform umgestellt haben, ergibt sich nach Beschlussfassung bzw. Verlautbarung des AÄG 2022 neuerlicher Änderungsbedarf. Während der sehr kurzen Begutachtungsfrist wird darauf hinzuwirken sein, dass für diese Rück-Umstellung im Gesetz oder in den USt-Richtlinien ein praktischer Übergangsmodus vorgesehen wird.

Schutzmasken bleiben USt-frei

Aufgrund der anhaltenden COVID-19-Krise wird für die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Schutzmasken der Steuersatz von 0 % bis zum 30. Juni 2023 beibehalten.

Ausdehnung der Dreiecksgeschäfte

Die Regelung über Dreiecksgeschäfte wird ab 2023 nach der Auffassung des Mehrwertsteuerausschusses auch auf Reihengeschäfte mit mehr als drei Personen angewandt werden.

Späterer Vorsteuerabzug bei Leistungsbezug von Istversteuerern

Die ursprünglich im Ministerialentwurf geplante Gesetzesänderung wurde nach zahlreichen kritischen Stellungnahmen von Wissenschaft und Praxis wieder komplett gestrichen und findet sich nicht mehr in der Regierungsvorlage.

BAO

Umsatzsteuerzinsen

Für den Bereich der Umsatzsteuer wird erstmals eine eigenständige Verzinsungsregelung geschaffen. Sowohl Gutschriften als auch Nachforderungen werden künftig mit 2 % über dem Basiszinssatz verzinst werden. Die Verzinsung beginnt bei Gutschriften 90 Tage nach der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung oder Jahreserklärung bzw. bei Nachforderungen ab dem 91. Tag nach der Fälligkeit. Nachforderungen aus Jahreserklärungen werden ab dem 1. Oktober des Folgejahres verzinst.

INTERNATIONALES STEUERRECHT

Vereinfachte Anrechnung Lohnsteuer

Für unbeschränkt Steuerpflichtige mit DBA-befreiten Einkünften ist es bisher gesetzlich nicht vorgesehen, die vom Arbeitgeber dafür einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer im Veranlagungswege erstattet zu bekommen. Steuerpflichtige mussten daher neben dem Veranlagungsverfahren ein eigenes Rückerstattungsverfahren einleiten. Dies wird nunmehr vereinfacht: künftig ist zur Rückerstattung der zu viel einbehaltenen Lohnsteuer nur noch das Veranlagungsverfahren notwendig.

Instrument zur multinationalen Risikobewertung

Das AbgÄG 2022 schafft nunmehr die verfahrensrechtliche Grundlage für die Teilnahme Österreichs an den von der OECD und der EU entwickelten Instrumenten zur multinationalen Risikobewertung.

Multinationale Unternehmen mit Umsatzerlösen von über EUR 750 Mio sollen künftig eine gemeinsame Analyse und Bewertung von grenzüberschreitenden Besteuerungsrisiken durch mehrere Steuerverwaltungen vornehmen lassen können. Im Zuge dessen gewährt das Unternehmen den Steuerverwaltungen einen detaillierten Einblick. Die teilnehmenden Steuerverwaltungen stimmen sich zu möglichen Besteuerungsrisiken ab und legen deren Risikoeinschätzung gegenüber dem Unternehmen im Rahmen eines Risikobewertungsberichts offen.

Unternehmen können notwendige Korrekturen frühzeitig durchführen und erreichen auf diesem Weg eine gewisse Besteuerungs- und Planungssicherheit; Rechtssicherheit im Sinne einer verbindlichen Auskunft der Steuerverwaltungen besteht allerdings keine.

SCHLUSSBEMERKUNG

Das Abgabenänderungsgesetz 2022 bringt noch vor dem Sommer viele begrüßenswerte und zweckmäßige Verbesserungen, auch im Rechtsschutz und im Verfahrensrecht. So wird auf Basis der Rechtsprechung des VwGH und des EuGH erstmals eine Verzinsung von Umsatzsteuerguthaben (und natürlich auch Nachforderungen) eingeführt. Weiters wird das Verfahren bei der Forschungsprämie verbessert und der Forschungsstandort Österreich mit der Berücksichtigung eines fiktiven Unternehmerlohns gestärkt. Gleichzeitig werden aber gewisse unerwünschte Gestaltungsmöglichkeiten beseitigt.

Vereinfachende Regelungen betreffend Absetzbarkeit einer Netzkarte und die echte Umsatzsteuerbefreiung für die Eisenbahn im Inland setzen steuerliche Impulse zur Stärkung des öffentlichen Verkehrs in Richtung Klimafreundlichkeit. Auch die Einkommensteuerfreiheit für Einkünfte aus bestimmten Photovoltaikanlagen weist in diese Richtung.